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Mostafa

"'Komm nicht nach Hause. Geh in die Türkei. Mach Urlaub.'

So forderte mich meine Mutter inständig auf, nachdem ich eine Nacht bei einem Freund geblieben war und wieder nach Hause wollte. Ich wusste nicht warum. Aber sie bat mich dringend darum. Mir blieb nichts Anderes übrig, als das zu machen, was sie mir sagte. Bekannte besorgten mir Geld und einen Esel, der mich in die Türkei führte. Heimlich, durch die Berge.

Wir lebten in Ahwaz, einer Großstadt im Iran in der Nähe der Grenze zum Irak. Meine Familie ist arabischstämmig, ich sprach arabisch und die Landessprache Farsi. Was war passiert?

Als ich die Nacht nicht zuhause war, war die Polizei bei meinen Eltern und wollte mich in die Armee einziehen. Ich sollte in den Krieg nach Syrien. Meine Eltern wussten, dass das ein Todeskommando war und sie versuchten, die Einberufung zu verhindern. Also schickten sie mich ins Ausland. Nach einigen Tagen mit dem Esel war ich nun also in der Türkei. Fremd. Allein. Ich konnte nicht lesen und nicht schreiben. Ich hatte nie eine Schule besucht. Und konnte kein Türkisch. Was sollte ich tun? Schon als Kind hatte ich immer davon geträumt, nach Deutschland zu gehen. Sollte ich jetzt diese Richtung einschlagen? Der Esel war wieder auf dem Rückmarsch durch die Berge in den Iran. Mit dem Geld, das mir meine Eltern gegeben hatten nahm ich ein Taxi in die nächste größere Stadt. Und machte mich auf den Weg, nachdem ich den Grund für meine "Flucht" erfahren hatte. Ich konnte nicht mehr zurück. Ich wäre des Todes gewesen.

Ich war vorher, etwa zwischen 22 und 26 Jahren, schon einmal bei der Armee im Iran. Das war eine sehr harte Zeit. Bei den Demos, die zu der Zeit im Iran liefen, sollte ich die Leute auseinandertreiben und die Teilnehmer der Demo schlagen. Das verweigerte ich. Ich konnte das nicht. Die Folge war, dass ich fürchterliche Schläge um Schläge bekam, einmal 180 Stück. U. a. kam ich zwei Monate in den Armeeknast und hatte sechs Monate Quarantäne auf einer einsamen Insel im Persischen Golf. Das war eine grauenvolle Zeit.

Aber nun war ich in der Türkei. Mein Geld war alle, ich hatte keinen Pass, nur einen kleinen Rucksack mit etwas zum Anziehen. Was sollte ich machen? Ich war völlig aufgeschmissen. Habe mich dann erst mal mit Wodka volllaufen lassen und besoffen im Park geschlafen. Irgendwann habe ich mich auf die Suche nach Arbeit gemacht. Nach einigen "Zwischenerfahrungen" bin ich dann zum Glück bei einem reichen Afghanen gelandet. Bei ihm habe ich zwei Wochen gearbeitet. Er hatte ein Ohr für mich und hat mir dann sehr geholfen. Ich bekam Geld von ihm, als hätte ich drei Monate bei ihm gearbeitet und vermittelte mich an einen Schlepper, den ich von dem Geld bezahlen konnte. Auf einem Schlauchboot kam ich dann gedrängt mit ca. 50 weiteren Flüchtlingen nach ca. fünf Stunden turbulenter Fahrt über das Meer nach Griechenland. Überall waren Menschen auf der Flucht und keiner war gewollt und keiner wusste recht weiter. Für mich stand fest:

Ich wollte nach Deutschland. Über zwei Monate war ich dann zu Fuß unterwegs. Von Griechenland über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland. Wie ich das geschafft habe, ist mir heute fast ein Rätsel. Hin und wieder hat mich mal ein Auto mitgenommen und ich bekam mal etwas zu essen. Aber meistens war ich nur zu Fuß unterwegs, hungrig und durstig und meistens habe ich im Freien irgendwo in den Bergen geschlafen. Die Angst war mein ständiger Begleiter.

Aber nun in Deutschland kam mir ein 'Herzlich willkommen in Deutschland' entgegen. Ich war am Ziel, atmete kräftig durch und fühlte mich frei. Endlich frei! Bei einem Bekannten in Frankfurt habe ich dann erst mal eine Woche geschlafen und gegessen. Von der Polizei bekam ich etwas Geld und ein Bahnticket nach Braunschweig. Ich habe dann zunächst vier Monate in St. Andreasberg in einem Flüchtlingsheim gelebt, bevor ich dann 2016 nach Wolfsburg geschickt wurde. Auch hier war ich wieder in einem Heim. Ganz allein, keine Familie, keine Freunde, Alpträume, ich konnte kein Deutsch und hatte gar nichts. Ich war verzweifelt. Ich sollte abgeschoben werden, bekam schließlich aber eine Duldung, hatte keine Arbeit und keine Wohnung. Nur das Heim. Das Zimmer war ohne Fenster und gegenüber den Heimbewohnern musste ich vorsichtig sein. Ich hatte zu niemandem Vertrauen. Alle hatten nichts – nur Probleme. Um meine Gefühle tot zu machen, nahm ich Drogen, erst Gras (Marihuana), später alles, was ich kriegen konnte: Heroin, Kokain, "Benzos" und diverse Tabletten. Ich finanzierte meinen Drogenkonsum durch Dealen. Ich wusste nichts Anderes. Trotz meines hohen Konsums fühlte ich mich immer affig (entzügig). Ich war immer wieder krank, konnte oft nichts essen und nichts trinken und war dem Sterben nahe. Ich war depressiv und völlig verloren. Meine Suizidversuche hauten nicht hin. Gott wollte wohl, dass ich noch lebe. Ich betete viel. Ich war Moslem – aber es wurde eigentlich alles immer noch schlimmer. Es waren grausame Jahre.

Eines Tages passierte es, dass ein Kumpel, dem ich Drogen verkauft hatte, zusammenbrach und am Sterben war. Ich habe zu Gott geschrien und alle möglichen Menschen gerufen. Die haben Krankenwagen und Polizei gerufen. Der Arzt stellte dann nur den Tod meines Kumpels fest und ich war schuld. Warum hatte ich ihm Drogen gegeben? Ich war wie verrückt, habe nicht schlafen können und viel geweint. Hatte ich die Drogen früher nur geraucht oder geschluckt, habe ich jetzt alles gespritzt. Sogar im Weglaufen vor mir selbst. Ich wollte nicht mehr leben. Ich war es nicht wert. Ich war schuld am Tod des Kumpels. In einer Kirche habe ich Zuflucht gesucht und dort um Hilfe gebetet. Irgendwann bekam ich Kontakt zu einer christlichen Drogenberatungsstelle in Wolfsburg. Dort schenkten sie mir eine Bibel (, die ich allerdings noch nicht lesen konnte) und motivierten mich, eine Therapie zu machen. Damals dachte ich, Entgiftung und Therapie ist dasselbe. Die Mitarbeiter halfen mir dazu, eine Entgiftung zu machen. In der Entgiftung traf ich André, den ich von der Drogenszene kannte und dem ich auch schon mal Drogen verkauft hatte. Er war frei und zu Gast hier, um uns vom Neuen Land zu erzählen. Er hatte dort eine Therapie gemacht. Ich wurde aufmerksam darauf und neugierig. Man vermittelte mich dann ins Neue Land, wo ich vor zwei Jahren ankam. Ich hatte keine Ahnung, was es mit dem Neuen Land auf sich hatte und dachte, dass ich, sobald ich wieder Geld in den Fingern habe, abhauen würde. Eine Woche gab ich mir dort. Aber es kam alles anders. Die Mitarbeiter waren so freundlich zu mir, dass ich blieb. Sie hatten mich motiviert und überzeugt, länger zu bleiben.

Ich fühlte mich so geliebt und angenommen, dass ich eigentlich gar nicht mehr gehen wollte. Ich wollte nicht in die Therapie, ich wollte hier in der Clearing-Station des Neuen Landes in der Steintorfeldstraße 11, Hannover, bleiben. Aber auch hier war es nicht leicht. Ich fühlte mich verfolgt. Immer wieder kamen Bilder von meinen Sünden in mir hoch. Ich schämte mich sehr. Das führte dazu, dass ich mich einmal im Keller des Hauses hinter einer Waschmaschine versteckte. Nach Stunden fand mich eine Mitarbeiterin des Hauses. Sie blieb bei mir, betete für mich und sagte mir dann: "Gott gibt dir eine 2. Chance!" Diese 2. Chance habe ich dann auch bekommen. Ich war tief in meinem Inneren angerührt. Ich betete danach mit einem persischen Pastor und auch mit den Mitarbeitern des Hauses und legte mein Leben in die Hände des christlichen Gottes, Jesus Christus. Ich habe dann Jesus immer mehr kennengelernt und er hat jetzt mein Vertrauen.

Ein halbes Jahr war ich in der Steintorfeldstraße und bin dann doch in die Therapie nach Amelith gegangen. Auch hier wurde ich sehr liebevoll aufgenommen und fand Vertrauen zu den Mitarbeitern. Ich fand viel Offenheit und Verständnis und konnte vieles von dem erzählen, was mir auf dem Herzen lag. Allmählich konnte ich vieles loslassen und auch Vergebung erleben. Jesus hat mich gerettet.

Ich hatte nichts, jetzt habe ich alles: Frieden im Herzen, ein Zimmer, ein Zuhause, zu essen und zu trinken, Gemeinschaft mit vielen und bin drogenfrei. Das Neue Land ist mir wie eine Familie geworden. Inzwischen bin ich in der Nachsorge, helfe in der Küche, spreche einigermaßen gut Deutsch, kann sogar lesen und schreiben, obwohl ich nie zur Schule ging und habe jetzt nach 8 Jahren in Deutschland sogar eine Arbeitserlaubnis bekommen. Ich bin in Kontakt mit meiner Familie im Iran. Meine Mutter spürt, dass ich frei bin und freut sich mit mir. Aber dorthin kann ich nicht zurück. Schon gar nicht als Christ.

Wie es mit mir weitergeht? Das weiß ich letztlich noch nicht konkret. Erstmal bin ich hier und will auch nicht weg. Vielleicht kann ich noch mal eine Ausbildung machen? Vielleicht als Koch? Wer weiß!

Ich kann sagen: Gott hat mir geholfen, er – nicht ich – hat es gut gemacht mit mir. Er hat mir viele Türen zugemacht, aber auch viele neue Türen geöffnet. Ich bin dankbar und frei. Ich bin mit meinen 35 Jahren wie neu geboren. Ich war hoffnungslos verloren, jetzt habe ich das Leben und Gottvertrauen! Auch für die Zukunft."

Mostafa

(Interview: 2023)