Unsere Erlebnisse bei "Summer in the City 2023"
„Die Szene wird immer heftiger.“
„Surreale Erfahrungen am Sommerfest – nicht von dieser Welt.“
„Seit 1 ½ Jahren bete ich für eine Person – heute ist sie gekommen!“
„Bitte macht weiter – ich habe die Einheit und Liebe Gottes gespürt.“
Vom 20.08. - 25.08.2023 hat die Einsatzwoche „Summer in the City“ mit etwa 60 Teilnehmenden aus ganz Deutschland in Hannover stattgefunden. Tjard Jakobs vom Blauen Kreuz hat uns mit Bibelarbeiten, Vorträgen und Gesprächen unterstützt. Höhepunkt war das Sommerfest am Freitag unter der Raschplatzhochbrücke mit ca. 300 Besuchern, 600 Würstchen und einem bunten Programm mit Musik und Hoffnungsberichten.
Neben den Szeneeinsätzen in Hannover hat es auch Einsätze in Hamburg, Kassel und Braunschweig gegeben. Rut Walther aus der Beratungsstelle beschreibt ihre Eindrücke:
„Es ist 20:30 Uhr, der Himmel wird immer dunkler, aber es ist noch angenehm warm. Eine Gruppe von Menschen begibt sich ins Nachtleben. Es ist jedoch ein anderes Nachtleben als das, was die meisten Menschen mit diesem Wort wahrscheinlich verbinden. Ein klares Ziel steht uns vor Augen: die Drogenszene Hannovers.
Der Bollerwagen `hüpft´ über die Bordsteinkante. Dieser ist gefüllt mit warmem Kaffee, Wasser, geschmierten Broten und leckeren Keksen. Angekommen beim `Stellwerk´ erblicken wir das Elend. Bei Nacht wirkt dieser Ort noch hoffnungsloser als tagsüber. Am Rand stehen, sitzen oder liegen die Abhängigen. Manche sind total `high´ und `drauf´. Hier und da kommt ein Dealer zu Fuß oder auf dem Fahrrad und macht seine Geschäfte. In einer Ecke hören wir jemanden nach Crack oder anderen Drogen fragen.
Plötzlich sehen wir, wie eine am Boden sitzende junge Frau verzweifelt im Dunkeln mit einer Taschenlampe den Boden absucht. Sie beginnt zu schreien, wo ihr `Stein´ (Crack) sei. Der Boden ist dreckig, voll mit Müll, hier und da liegt etwas Kleingeld rum. Ihre Schreie werden lauter und verzweifelter. Schluchzend sagt sie, dass ihr das Geld und Handy vorhin geklaut worden seien und sie nun keine Möglichkeit habe, `Nachschub´ zu holen. Und somit durchwühlt sie alles, sucht verzweifelt weiter nach der Droge, die sich gerade noch vor ihr auf dem Boden befunden haben soll. Sie ist ihr letzter Strohhalm, an den sie sich klammert, die (Er)lösung ihrer Probleme, ihrer Situation. Eine Droge, die jedoch nur für einen kurzen Zeitraum `vermeintliche Erlösung´ bringt. Gefangen in der Sucht, die Droge, die alles bestimmt! Es ist ein Ort der Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Trostlosigkeit und Resignation.
Aber deswegen sind wir hier, um Licht in diese Dunkelheit zu bringen! Wir wollen den Menschen mit Gottes Liebe begegnen und ihnen dienen. Die Getränke und Brote werden dankbar angenommen, schnell ist der Wagen leer. Der ein oder andere Magen ist nun etwas gefüllt, aber auch hier wird der Hunger wiederkommen. Eine noch wichtigere Botschaft, die wir teilen, ist diese: ‚Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmer mehr dürsten.‘ (Joh. 6, 35).“
Wir erleben es leider nicht selten, dass mancher Betroffener mehrere Anläufe für einen erfolgreichen Ausstieg braucht. Sucht ist eine chronische Erkrankung, die leider tödlich sein kann. Es ist herausfordernd, dieser starken Sogwirkung, Todessehnsucht und Resignation immer wieder gegenüber zu stehen. Dazu schreibt Rut:
„Es ist zwar schon relativ dunkel, aber durch das entfernte Straßenlicht erkennen wir zwischen all den Abhängigen am Stellwerk eine uns bekannte Gestalt M. Er steht am Rand des Platzes mit schmutziger Kleidung und kaputten Schuhe, wie ein Häufchen Elend, umgeben von Dreck und Müll. Das bisschen Hab und Gut, was er besitzt, ist in ein paar kaputte Taschen und dreckige Tüten gestopft. Er ist wachsam, damit ihm das bisschen, was ihm geblieben ist, nicht auch genommen wird. M. hatte bereits Therapie und Nachsorge im Neuen Land gemacht. Der Versuch, sein Leben selbst und clean zu gestalten, lief schief. Beschämt guckt er immer wieder weg. Im schwachen Schein der Straßenlampe erblicken wir die Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit in seinen Augen. Aber er freut sich, uns zu sehen. Wir suchen das Gespräch mit ihm und ermutigen ihn. ‚Du hast es schon mal geschafft, gib nicht auf, wir haben Hoffnung für dich!‘ Wie wichtig ist es aufzuzeigen, dass der Kampf nicht alleine gekämpft werden muss. ‚Komm zurück nach Hause. Wir helfen Dir gerne! Tue einen Schritt nach dem anderen.‘ Er freut sich auch über das Gebet, das wir ihm anschließend anbieten. Sein Gesichtsausdruck und sein Blick verändern sich. Innerlich bewegt sich etwas, Hoffnung keimt auf, Ergriffenheit und Dankbarkeit sind in seinen Augen zu lesen.“
Auch die anderen Teilnehmenden der Einsatzwoche waren bewegt von den Begegnungen und Erlebnissen. Hier einige ihrer Aussagen:
„Ich konnte sehr viele Liebesbriefe (kurze Erläuterungen aus der Bibel) verteilen, nur 5 Personen haben es abgelehnt.“
„Ich war zum ersten Mal mit dabei, bitte macht weiter: Ich habe so stark die Einheit im Miteinander und die Liebe Gottes gespürt. Hannover braucht ‚Summer in the City‘!“
„Das Verständnis für Sucht hat sich bei mir komplett verändert! Jetzt möchte ich auch Betroffenen in meiner Stadt helfen!“
„Seit 1 ½ Jahren bete ich für einen Betroffenen, der in unserer Nachbarschaft lebt. Er ist seit 47 Jahren auf der Szene. Nur heute hatte ich Zeit für die Einsatzwoche und treffe genau diese Person in der Nähe vom Bauwagen. Erst schien es so, als wenn er nicht mit mir reden wollte. Dann fragte er mich: ‚Wenn ich an die Tür bei Jesus klopfe, meinst du, er lässt mich rein?‘“
„So viele Menschen auf dem Sommerfest, die ausgelassen zur Lobpreismusik getanzt haben, bei den Hoffnungsberichten angerührt waren und geweint haben! In allem Leid und aller Verzweiflung haben sich Lebensfreude, Hoffnung und Frieden auf dem Platz ausgebreitet – das ist nicht von dieser Welt!“
An dieser Stelle möchten wir nicht nur allen Teilnehmenden danken, sondern auch den vielen Personen, die für die Einsatzwoche intensiv gebetet, Kuchen gebacken, Essen vorbereitet, organisiert und auf- und abgebaut haben! Nichts von dem war vergebens und oft erfahren wir erst viel später, was es alles bewirkt hat.