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"Ich konnte keine eigene Meinung vertreten."

Ich habe mich immer unterbuttern lassen. Ich war ruhig und habe alles geschluckt. Das hatte zur Folge, dass ich mich nicht richtig weiter entwickelte.

In Russland wurde ich Faschist geschimpft, weil ich eine deutsche Mutter hatte. Ich war immer in der Minderheit, meistens allein und musste mich als Kind durchsetzen, um durchzukommen, auch mit meinen Fäusten. Meine Eltern waren getrennt, mein Vater ist Russe. Ich bin so gut wie ohne Vater in der Nähe von Novosibirsk / Sibirien aufgewachsen, mit Mutter und Schwester.

1995, ich war 14 Jahre alt, ging meine Mutter mit uns nach Deutschland.

In Deutschland war ich wieder Außenseiter. Ich war der einzige Russe in meiner Schulklasse. Ich konnte kein Deutsch, wurde gehänselt und verstand praktisch nichts. Das ging 2 Jahre lang, bis ich ins Heim (Internat) kam. Hier war ich mit Älteren zusammen in einer Clique. Alle rauchten Hasch. Ich wollte dazu gehören, habe dann auch probiert und konsumierte in der Folge regelmäßig jeden Tag Haschisch.

Mit 18 Jahren wurde ich dann überredet Heroin zu rauchen. Später wollte ich die Wirkung erhöhen und spritzte es. In unserer Clique waren wir 10 Jungen. Wir gingen in Diskos, hatten Schlägereien, haben Autos auf- und kaputt gemacht, nahmen Drogen und tranken zusätzlich Alkohol.

Nach dem Heim lebte ich bei meiner Mutter, bis sie, als sie einen Mann kennen gelernt hatte, auszog und mich allein zurückließ. Jetzt musste ich selber für mich sorgen. Das habe ich nicht hingekriegt, weil Drogen und Alkohol immer mehr die Oberhand bekommen hatten. Mit der Clique haben wir bis zu 20 Flaschen Whiskey pro Tag geklaut und verkauft, wenn wir ihn nicht selbst getrunken haben. Ich habe mich immer mehr vernachlässigt, bis ich in Dreck und Spritzen unterging. Meine Schwester hat mich dann da rausgeholt und zu sich genommen. Da hatte ich ne ganz neue Umgebung, war weg von meiner Clique, bekam eine Arbeit und wollte neu anfangen. Aber ich hatte Entzugsschmerzen, konnte schlecht arbeiten, flog aus meiner Arbeit und suchte mir wieder neue Hasch-Leute. Ich dachte, ich sei jetzt clean, weil ich nur noch Hasch rauchte und kein Heroin mehr nahm. Aber das dauerte nur ein Jahr. Da war ich wieder auf Heroin, zunächst als Wochenendjunkie, dann immer mehr. Zwischenzeitlich versuchte ich, mich mit Methadon über Wasser zu halten, aber es brachte alles nichts. Ich machte ne Umschulung zum Tischler, schwänzte aber die Schule, wurde unzuverlässig, stahl meiner Schwester Geld und hatte immer mehr Ausfälle.

Nach einer Entgiftung in Bad Rehburg war ich einige Monate clean und dann fing alles wieder an. So konnte es nicht weiter gehen. Ich wollte ne Therapie machen. aber wie kam ich da ran? Meine Hausärztin sagte mir: "Ich kenne eine gute Therapie – Neues Land – das ist ne christliche Therapie." Meine erste Reaktion war: "Das ist nichts für mich, jeden Tag Bibel lesen, das willst du nicht." Ich bin dann doch ins Neue Land gefahren und dachte: "Vielleicht gefällt es dir ja doch?". Hauptsache war, ich wollte weg von den Drogen. Ich wollte morgens aufstehen, keine Schmerzen haben, mich freuen, dass die Sonne scheint und kein Geld auftun müssen. So sollte es nicht weitergehen.

Schön und gut – am 19.05.2004 wurde ich im Neuen Land aufgenommen, zunächst im Auffanghaus. Danach in der Therapie. Anfangs war ich auch dort sehr ruhig. Ich sah mir das Ganze gründlich an. Aber allmählich konnte ich Vertrauen aufbauen und mich öffnen. Das Reden war ich nicht gewöhnt und mit der Sprache hatte ich auch noch Schwierigkeiten. Mein Deutsch war noch zu schlecht. Eine Mitarbeiterin machte mit mir einen Deutschkurs und ich kam voran. Gott war mir zuerst weit weg, aber ich glaube, jeder Mensch glaubt irgendwo an Gott. Ich habe dann in den Andachten die Leute erlebt und habe einfach mitgemacht. Ich habe mich innerlich gelöst und zu beten angefangen. Ich habe gebetet, dass Gott mich verändert und irgendwann habe ich zu Gott gesagt: "Hier bin ich, nimm mich in deine Hände."

Ich habe mich und auch meine Verletzungen dann mehr und mehr erkannt. Ich habe mich annehmen können, wie Gott mich angenommen hatte. Ich habe mich mit meiner Mutter ausgesprochen und mich bei ihr entschuldigt, auch bei meiner Schwester. Sie haben mir vergeben. Und Gott hat mir auch vergeben.

Meine Therapie liegt jetzt mehr als drei Jahre zurück. Einmal, nach einem Regelverstoß hatte ich ne dicke Krise in der Therapie. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und wollte abbrechen, davon laufen. Nach einem Gespräch mit meinem Therapeuten habe ich dann noch einmal gründlich nachgedacht und mich korrigiert. Ich merkte, dass ich schon viel erreicht hatte und wollte nicht alles wegschmeißen. Diese Korrektur hat mich sehr gefestigt und ich habe viel gelernt. Ich kann jetzt Probleme angehen und muss nicht mehr weglaufen und ich habe auch wieder eine Meinung. Ich kann meine Meinung vertreten und mich weiter entwickeln. Ich muss nicht mehr immer auf Menschen reflektieren und ängstlich sein. Ich freue mich, dass ich meine Ängste und meine Minderwertigkeit überwunden habe und mich auch frei zum Glauben an Jesus bekennen konnte.

Nach meiner Therapie habe ich mich noch ein Jahr in der Nachsorge gefestigt. Ich habe eine Tischlerausbildung abgeschlossen, habe Arbeit, bin verheiratet und leite mit meiner Frau zusammen die Jugendgruppe meiner Kirchengemeinde.

Ich kann nur sagen, es lohnt sich, den Weg zu probieren. Auch wenn du es noch nicht weißt, ob es dir gefällt. Du kannst nichts verlieren. Ich kann jetzt jedenfalls besser leben als vorher. Ich kann mich über die Sonne freuen und über die Landschaft und sehe mit anderen Augen. Gott hat mir die Augen geöffnet. Ich bin frei von Drogen und Alkohol und von den Problemen, die mich zerstören wollten. Und auch das möchte ich dir noch sagen: Es ist nicht so, dass du immerzu nur Bibel lesen musst. Das Leben macht Spaß."

Sergej